Reinhardt Graetz

Inhalt

Die Ursprünge der Moral 

- gut und böse -

Gut und böse
sind die beiden Pole der Moral. "Gut" ist dabei der nichtgegenständliche Basisbegriff - vergegenständlicht als "das Gute", personifiziert: "der/die Gute". Daraus entstand das Wort "Gott". Auf Englisch heißt Gott immer noch „God“, und nur die Schreibweise unterscheidet das deutsche Wort „Gott“ hiervon. Die Menschen lernten bereits in grauer Vorzeit, zwischen gut und böse zu unterscheiden und verwendeten dafür auch entsprechende Worte und Begriffe: 

Die Moral war geboren.

Mit der "Entdeckung" der Moral war eine wichtige Wegmarke erreicht
- der Beginn der kulturellen Evolution. Den Stellenwert dieser Wegmarke kann man nicht hoch genug einschätzen: die Menschen erkannten auf dieser Grundlage nicht nur "böse" Unzulänglichkeiten, sondern entwickelten daraus erstmals Motive und Ideen, sie aktiv zu überwinden. Ebenso, Gutes noch besser zu machen. So ist die Moral zur Grundlage allen Fortschritts geworden. Überlebt hat seither das Schema Soll/Ist als Grundlage jeder Planung - um mit der Arbeit an allerlei Projekten zielgerichtet Verbesserungen zu erreichen. 

Unzulänglichkeiten als Herausforderungen
Man kann durchaus zweierlei Herausforderungen ausmachen, die durch den Erwerb des Moralbewusstseins ausgelöst wurden: zum einen die äußeren Lebensbedingungen zu verbessern, zum anderen soziales Fehlverhalten zu korrigieren und durch sinnvolle Zielsetzungen zu ersetzen. 
Inzwischen sind bei den äußeren Lebensbedingungen eindrucksvolle Verbesserungen erreicht worden. Der soziale Fortschritt scheint indes auf der Stelle zu treten und kaum voranzukommen. Die Menschen führen immer noch Kriege untereinander - aber es gibt auch eindrucksvolle soziale Einrichtungen. Allen voran sei hier die Medizin und ihre Fortschritte auf wissenschaftlicher Basis erwähnt. 
Wenn man die Menschheit als einen Gesamtorganismus begreift, drängt sich ein Vergleich mit einem Individuum auf: Manche Menschen leiden an einer Autoimmunkrankheit, bei der deren Immunsystem völlig abwegigerweise Teile des eigenen Organismus angreift und bekämpft. Was im Extremfall bis zur Selbstzerstörung führen kann. Im Vergleich dazu könnte das der gesamten Menschheit durch den Einsatz von Atombomben drohen.

Sozialer Fortschritt = Sündenfall-?
Die Religionsdesigner hingegen haben sich daraus nur einen - ihnen wichtig erscheinenden - Teilaspekt herausgegriffen und ihn als "Sündenfall" einer "ungehorsamen" Person gebrandmarkt. Es ging ihnen in erster Linie um das "Gehorsam/Ungehorsam"-Verhaltensmuster ihrer Sklaven. Wir finden dazu eine passende Geschichte in der Bibel - die Vertreibung der ersten Menschen aus dem Paradies - wegen "Ungehorsams": sie hatten sich entgegen einem Verbot das Moralbewusstsein angeeignet. Hieraus zimmerte sich die katholische Kirche später ihr Spezialdogma der "Erbsünde" - welches bis zum heutigen Tag gültig ist. Woraus zu schließen ist, dass es den Religionsdesignern um die Rechtfertigung ihrer eigenen Organisation, aber nicht um die Würdigung des eigentlichen Stellenwertes der Moralerkenntnis ging - der geht weit darüber hinaus. 

Echnaton, Moses und Kaiser Konstantin
In einer antiken Welt, die aufgeteilt war auf der einen Seite in einige wenige Menschen der Priester- und Herrschaftskaste und auf der anderen Seite in 99,999% Analphabeten, wäre es extrem unwahrscheinlich gewesen, dass es diese Analphabeten waren, die die Moral entdeckt hätten. Mit derart abstrakten/nichtgegenständlichen Begriffen hätten die überhaupt nichts anfangen können. Es spricht vieles dafür, dass die Grundbegriffe der Moral in einer altägyptischen Philosophenschule erfunden wurden und die passende Religion gleich dazu, um die Moralbegriffe tatsächlich unters Volk bringen zu können - wie es uns vom Pharao Echnaton überliefert ist, der den ersten Monotheismus verkünden ließ mit dem Sonnengott Aton. Gleichzeitig hatte er alle anderen, bisherigen Götter einfach abgeschafft.

Das spätere Judentum muss dann ebenso aus einer ägyptischen Philosophenschule hervorgegangen sein. Wir finden dafür Hinweise in der Bibel, wo von einem Wettbewerb zweier "Zauberschulen" die Rede ist. Zuletzt gewann die Schule von Moses; die "Zauberstäbe" der konkurrierenden Schulen verwandelten sich in zwei Schlangen, von denen die Schlange von Moses die seiner Wettbewerber fraß. Danach führte Moses sein Volk aus der "ägyptischen Gefangenschaft" in das "gelobte Land" durch eine Wüste und durch Wasserwände hindurch. Nach der Legende empfing Moses vom Gott Jahwe die 10 Gebote, auf Steintafeln gemeißelt. Die Religion des Judentums mit ihrem Gott Jahwe war geboren.

Mit den "Zauberschulen" sind wohl die Philosophenschulen gemeint; Moses'/Aarons Schlange (als Symbol der Klugheit) verleibt sich mit der Konkurrenzschlange deren Klugheit ein und hat sie dadurch übernommen. Die gleiche Symbolik begegnet uns mit der Einverleibung der Früchte des Baums "der Erkenntnis des Guten und Bösen" im "Garten Eden" im biblischen Schöpfungsmythos.  (2. Mose 4, 2-4) und (2. Mose 7, 8-12)
Diese Vorgänge wiederholten sich später bei Kaiser Konstantin, der das Christentum zur römischen Staatsreligion erklärte, unter Mithilfe von Paulus. Auch hier wieder wurde eine neue Moral mit einer dazu passenden Religion erfunden, beschlossen und verkündet.

Beurteilung und Bewertung
Erst wenn die Menschen eine Vorstellung darüber gewonnen haben, was gut und böse ist, sind sie in der Lage, Dinge, Zusammenhänge, Aktionen etc. zu beurteilen und damit auch zu bewerten. Und: erst durch diese Bewertung sind die Menschen in der Lage, sich für das zu entscheiden, was sie als gut befunden haben. Wenn sie auf diese Weise ihren gegenwärtigen Zustand als unzulänglich und damit als verbesserungsbedürftig einstufen, entsteht daraus das Motiv, ihn tatsächlich nach ihren Vorstellungen verbessern zu wollen.
Dabei gehen die Meinungen darüber, was als gut oder böse anzusehen sei, bis heute immer noch weit auseinander; jede Gruppierung sieht die Dinge anders. Die meisten Dinge sind ja auch ambivalent - je nach Sichtweise und Interessenlage können sie sehr unterschiedlich bis hin zu völlig konträr bewertet werden. Daher ist ein weltweit einheitlicher Konsens über eine allgemein gültige Moral selbst in unseren Tagen erst ansatzweise vorhanden. Einen Versuch in diese Richtung unternahm zuletzt der katholische Dissident Hans Küng mit seinem Projekt "Weltethos":

Hans Küng - Projekt Weltethos
https://de.wikipedia.org/wiki/Weltethos

http://www.amazon.de/Projekt-Weltethos-Hans-K%C3%BCng/dp/3492216595/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1441542413&sr=1-2&keywords=Hans+K%C3%BCng+weltethos

Dalai Lama - Ethik ist wichtiger als Religion
Inzwischen gesellte sich der Dalai Lama hinzu mit seinem Vorschlag, anstelle der bisherigen Religionen eine allgemeingültige, global anerkannte säkulare Ethik zu setzen:


Der Appell des Dalai Lama an die Welt: Ethik ist wichtiger als Religion



Unterschiedliche Binnenmoral führt unmittelbar zu Kriegen
Die Religionen, so der Dalai Lama, hätten sich viel zu sehr gegeneinander abgegrenzt und damit allerlei Feindseligkeiten befördert, anstatt sie zu überwinden, wie es ja eigentlich in ihren einschlägigen Glaubenssätzen gefordert sei. 
Der Verlauf der Geschichte in den vergangenen Jahrtausenden gibt ihm Recht. Bis in unsere Tage werden erbitterte Kriege geführt, vordergründig aus Glaubensmotiven heraus - obwohl es der Herrschaftskaste immer nur um ihren Machterhalt ging. Die Bilanz: Die Religionen haben ihre selbst gesetzten Ziele verfehlt, ein friedliches Miteinander der Menschen zu bewirken. Inzwischen geraten sie immer mehr ins Visier als treibende Kraft von Unfrieden und Zwistigkeiten.

Gäbe es dagegen einen allgemein anerkannten Konsens darüber, was als weltweit verbindlicher Moralkodex anzusehen sei, wäre damit eine Grundlage geschaffen, kriegerische Auseinandersetzungen künftig zu vermeiden. Die Quintessenz aller moralischen Kernaussagen aus den wichtigsten Weltreligionen, ergänzt um wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Sozialwissenschaften müsste dann in einer säkularen  "Ethik-Charta" der UNO als verbindliches Regelwerk für alle etabliert werden.