Reinhardt Graetz

Inhalt

Zeit

 

Aus Bewegungen haben wir den Zeitbegriff abstrahiert - aus der Distanz zwischen Anfang und Ende einer Bewegung.
Ewigkeit ist ununterbrochene Beständigkeit - das Kontinuum.
Raum ist beständige Distanz in drei oder mehr Dimensionen.

Der jüngste Tag ist immer heute.

Die Zeit ist das Wertvollste, was du hast.
Sie wird immer knapper, je mehr Termine sich in ihr drängen.
Versuche, Zeitfallen zu vermeiden - denn Du hast nur ein Leben, welches Dir aber unendlich viele Möglichkeiten bietet!

Banale Erkenntnisse
Ein Mensch, der 50 Jahre alt ist, kann nicht mit 25 sterben. Aus dem gleichen Grunde gehen auch keine Zeitreisen: negative Zeiten und Längen gibt es nicht. 
Genauso wenig ist irgendjemand imstande, sein Geburtsdatum zu ändern. Vergangenes ist unverrückbar und entzieht sich unserem Einfluss.
Jedwedes Leben beginnt, nimmt seinen Fortgang und endet - irgendwann, und das ganz sicher; so gesehen, ist das Leben eine kurzzeitige Unterbrechung des Todes. Niemand kann sich an die Zeit vor seiner Geburt erinnern: da existierte man noch nicht, war also auch tot. Genauso wird es nach dem Ende unseres Lebens sein.

Leben und Tod
Warum währt das Leben nicht ewig-?  Weil unser Universum endlich ist und auch nicht ewig lebt - und wir ein Teil von ihm sind. Alles darin hat einen Anfang, existiert eine Zeitlang und löst sich danach wieder auf. Jedwedes Individuum altert mit der Zeit zwangsläufig - und wird damit auch immer klappriger und gebrechlicher. Der Tod ist zuletzt unvermeidlich. Die Natur praktiziert da ein perfektes recycling. Die Reste verendeter Individuen dienen als Bausteine für neue. So entsteht auch kein Müll.
Ein "ewiges" Leben hätte nur dann Sinn, wenn es auch ständig jung bliebe. 
Genau da setzt die Natur an: damit die Spezies länger existieren können - genauer: länger jung bleiben, verjüngen sie sich stets von innen heraus - indem die Lebensbausteine der Individuen eine Zeitlang ständig erneuert werden, bis sie selbst absterben. Wie die Zellen zum Individuum, verhalten sich die Individuen zur Gesamtspezies. Sie haben immer nur eine begrenzte Lebensdauer und werden nach ihrem Absterben durch frische ersetzt. Auf diese Weise haben es manche Spezies auf Millionen Jahre ihrer Existenz gebracht - immerhin...  
Dazu drängt sich ein spekulativer Gedanke auf:  Wenn ein Gesamtorganismus aus vielen Zellen besteht, müssten dann nicht analog dazu wiederum alle Spezies einen eigenständigen Gesamt-Überorganismus bilden-? Zu diesem Thema gäbe es eine Menge zu erforschen...

Ewiges Leben
...könnte nie anfangen oder aufhören, es müsste daher schon längst existieren - immer dagewesen sein, bestehen und immer weiter bestehen, unbegrenzt - sonst wäre es ja nicht ewig. Und wenn es schon längst existieren würde, müsste es auch ganz selbstverständlich wahrgenommen werden können, und damit zu den festen Phänomenen unseres Lebens gehören. Aber - hat irgendwer irgendwo irgendwann Spuren ewigen Lebens bemerkt...?
Das Leben auf der Erde existiert zwar schon mehrere hundert Millionen Jahre, aber älter als die Erde selbst könnte es auch nicht sein - und ist damit endlich. Kein zeitlich begrenztes Leben, wie das unsrige - genauer: die bereits gelebte Zeit - ließe sich im Nachhinein nach rückwärts oder vorwärts verlängern, um „ewig” zu werden. Dazu müsste es im Turboverfahren nach- und vorausgelebt werden können - mit dieser Vorstellung sind wir bereits mitten in Absurdistan gelandet!
Aber: die Idee eines ewigen Lebens entstammt ja keiner wissenschaftlichen Erkenntnis, sondern sie ist Teil antiker Religions-Erzählungen. 

Geburtsdatum in Nachhinein ändern-?
Wenn also irgendjemand in der Lage wäre, unser zeitlich begrenztes Leben in ein zeitlich unbegrenztes zu überführen, müsste er zuerst unser real existierendes Geburtsdatum aufheben - eine völlig absurde Vorstellung. Danach müsste er unseren bisherigen Lebensjahren eine unbegrenzte Anzahl von Jahren hinzufügen. Allein dieser Vorgang - einem zeitlichen Ablauf im Nachhinein einen unbegrenzten Zeitzuwachs hinzufügen zu wollen - was seinerseits unbegrenzt viel Zeit erfordern würde - ist ein komplettes Unding; er könnte nie zum Ende kommen! Mit der Zeit verhält es sich ähnlich wie mit der Energie: zu bereits verbrauchter Zeit kann man im Nachhinein keine "Zeitmengen" hinzufügen oder abziehen. Und zu noch nicht verbrauchter Zeit ginge das ebenso wenig.
Ungelebte Jahre in einem nie endenden Prozess einem Leben hinzufügen zu wollen - das ist nicht mehr als eine hübsche Phantasie, ein pures Gedankenspiel - und an Abwegigkeit kaum zu überbieten.

Es ähnelt der Aufgabe, die größtmögliche Zahl zu finden - auch hier kommt man aus ähnlichem Grund zu keinem Ergebnis, weil man weiß, dass es für jedes mögliche Ergebnis noch mindestens eine weitere, höhere Zahl gibt, die jedes soeben ermittelte Ergebnis sogleich wieder aufheben müsste. So entsteht automatisch die Aufforderung, immer weiter zu zählen; um aber ein Zählergebnis festzustellen, müsste man unbedingt mit dem Zählen aufhören. Beides gleichzeitig zu tun - zählen und nicht zählen - geht nicht: man kann nicht irgendetwas tun und es gleichzeitig lassen wollen. In der Aufgabe steckt also ein unauflösbarer Widerspruch, und daher ist sie falsch gestellt und somit unlösbar.

Der Begriff „ewiges Leben” erweist sich so als das, was er ist - ein pures Hirngespinst.
Bestenfalls macht er als eine Metapher Sinn. Vermutlich war er auch so von seinen Urhebern gemeint, für den Begriff „Beständigkeit”.

Antike Ideen - Leben und Tod
Die Idee vom "ewigen Leben" ist ja schon in der Antike entstanden - vermutlich als Trostpflaster für die Sklaven, um ihnen ihr tristes Leben mit einem Hoffnungsschimmer ein bisschen aufzuhellen. Nach dem Motto: wartet nur ab, im Jenseits wartet das Paradies auf euch-! Ihr müsst es nur glauben - wohl wissend, dass sie nach dem Tod diese Mogeleien nicht mehr reklamieren können...
In der Moderne kam die Idee auf, einfach die ganze Welt als einen lebendigen Organismus zu betrachten. Wenn denn nun alles lebendig ist, hat darin der Tod keinen Platz mehr. Eine ziemlich billige Methode, den Tod einfach wegzudiskutieren... 
Aber: wir kommen nicht umhin, bestimmte Fakten zu akzeptieren - die Zeit geht immer vorwärts, das Altern können wir nicht aufhalten, wir werden als Männlein oder Weiblein geboren zu einem Termin, den wir uns nicht aussuchen können - und den können wir auch nicht im Nachhinein zu unseren Gunsten ändern. Zudem benötigen wir Luft zum Atmen sowie Wasser und Nahrung, um schlicht zu überleben. Die Natur hat uns da fest im Griff - nicht wir sie.
So hat auch der Tod seinen festen Platz im Leben - und ist in seiner Bewertung selbst ambivalent. Am Anfang oder mitten im Leben ist der Gedanke an ihn zu Recht erschreckend - aber am Ende des Lebens, wenn die Altersbeschwerden immer heftiger werden, wird er immer mehr zur Erlösung. 
Ganz abgesehen von der alptraumhaften Vorstellung, zigtausende Jahre auf dieser unserer Erde zubringen zu müssen...

Gäbe es tatsächlich ein Leben nach dem - oder keinen - Tod, wäre unser Leben jetzt schon "ewig" und nicht zeitlich begrenzt.
Dann aber gäbe es

- kein Gebot:
"Du sollst nicht töten!"  - es wäre sinnlos
- keinen Glaubenssatz: "...ich glaube...an das ewige Leben"
- es würde schon existieren
- keine Todesstrafe - sie wäre wirkungslos
- keine Armee - Totschießen würde nicht funktionieren (s. o.)
- keine Wehretats, keine Lebensversicherungen - warum sollte jemand Geld dafür ausgeben (s. o.) -? 
- keine Friedhöfe, Galgen, Gulliotinen, elektrische Stühle oder Selbstschussanlagen - weil unsinnig

Weg mit den Schurken-!

Böse Feinde abzuschießen oder gemeine Schurken zu erhängen, könnte ohne den Tod gar nicht funktionieren - sie würden ja einfach weiterleben. Und überdies weltweit jährlich über anderthalb Billionen $$ für Rüstung auszugeben, nur um sicherzustellen, dass die bösen Feinde oder Schurken zuverlässig ins Jenseits befördert werden können, wäre an Absurdität kaum zu überbieten...

Jenseits von Raum & Zeit
...klingt sehr poetisch und erhaben; diese Floskel beschreibt vage eine Welt, die sich unserem gewöhnlichen Verstand irgendwie entziehen soll. Ohne Raum & Zeit könnte sich aber nichts bewegen - weil es etwaigen Bewegungen schlicht am nötigen Raum gebräche. Und ohne Bewegung könnte sich auch nichts verändern: die Zeit wäre ja ohnehin abwesend. Leben aber ist Bewegung, und damit bräuchte es unbedingt Raum und Zeit, um überhaupt existieren zu können. Leben ohne Raum und Zeit ist unmöglich.

Zudem wäre diese Welt reduziert auf einen gedachten Punkt - ein Raum existierte ja auch nicht. Ein solcher Punkt existiert aber höchstens in unserer Vorstellung.

Immerhin ist kein Geringerer als Herr Küng, der katholische Dissident, der Meinung, dass sich das "ewige Leben" jenseits von Raum und Zeit abspielen würde. Wenn man sich darauf verständigen könnte, dass sich diese Welt ausschließlich in unserer Vorstellung befindet, wie soeben erläutert, hätte er durchaus Recht: Gedankengebäude und Glaubensvorstellungen befinden sich tatsächlich in unserer Vorstellungswelt - aber eben auch nur dort.

So erweist sich die Floskel „jenseits von Zeit und Raum” als eine hübsche Phantasie - mehr ist sie nicht.

Zeitgewinn
Das 20. Jahrhundert brachte da enormen Fortschritt - den Frauen durch die Waschmaschine, allen durch die Zentralheizung. Zeitgewinn: mehrere Stunden pro Tag. Und, was macht der Mensch mit der gewonnenen Zeit? Er pflegt sie gnadenlos zu verplanen. Im Zeitplan stehen vermutlich heutzutage doppelt so viel Termine wie vordem. Laut Herrn Darwin überleben aber nur die Cleversten...

Und die Wissenschaft-?
Manche Wissenschaftler halten die Zeit für eine menschliche Illusion, andere wiederum halten sie für einen ernstzunehmenden Faktor. Immerhin gibt es eine objektiv messbare, wichtige Naturkonstante, die Lichtgeschwindigkeit. In einer Geschwindigkeitsdimension (km/sec) wiederum steckt unübersehbar der Zeitfaktor.
Demnach gehört die Zeit doch zu der Wirklichkeit außerhalb und unabhängig von uns Menschen...