Reinhardt Graetz

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Gutmenschen - vulgo: Nervensägen

Die Menschen sind entschieden verwunderlich...
Antoine de Saint-Exupéry (Der kleine Prinz)

Hilfe, die Gutmenschen sind da! Sie geistern inzwischen überall durch die kulturpessimistisch angehauchten Feuilletons, manchmal begegnen sie einem sogar in natura. Weil sie so moralinsauer vorgetaucht wurden, verbreiten sie einen unvermeidlich sauertöpfischen Geruch, und so machen die meisten einen großen Bogen um sie. Sie haben etwas oberlehrerhaftes an sich, machen immer alles richtig, sie verhalten sich politisch und umweltmäßig jederzeit unangefochten korrekt.

Kurz: sie sind ohne Sünde.
Wer ohne Fehl ist, werfe den ersten Stein auf sie...!

Nach über 3 000 Jahren Religionsgeschichte müssten nun wenigstens die Religionsvertreter, aber eigentlich alle Zeitgenossen ob ihres Auftauchens ihre Häupter erheben und unablässig frohlocken: sehet, die Erlösung ist nahe - die Gutmenschen sind gekommen! Offenkundig ist aber der Mensch nie zufrieden: da haben sich nun die besagten Religionsvertreter redlich (manchmal auch unredlich) jahrtausendelang abgerackert, auf dass dermaleinst ein neuer, geläuterter Menschentyp erscheine - und nun, endlich ist er da, der Gutmensch - aber keiner will ihn; er stört eher...! Bei manchen Radikalinskis ist dieser Begriff bereits zu einem Schimpfwort geworden.

Ist er nun zu früh oder zu spät gekommen? Oder sollte er am Ende gar völlig überflüssig sein?